Flightright gewinnt vor BGH: Trödeln Fluggesellschaften bei Ersatzbeförderung, müssen sie dafür zahlen

Der Bundesgerichtshof hat gestern in zwei Verfahren (Az. X ZR 107/22, Az. X ZR 123/22) entschieden, dass Passagier:innen bei annullierten Flügen durch außergewöhnliche Umstände, wie zum Beispiel Unwetter, von den Fluggesellschaften die frühestmögliche Ersatzbeförderung erhalten müssen. Dabei sind die Fluggesellschaften neben der Ersatzbeförderung durch eigene Alternativflüge verpflichtet, auch Direktverbindungen oder Umsteigeverbindungen anderer Airlines anzubieten, die Passagier:innen früher an ihr Ziel bringen. Laut BGH reicht es nicht aus, wenn sich die Fluggesellschaften nach Ablauf von drei Stunden nicht mehr um eine schnellstmögliche Ersatzbeförderung kümmern.

„Das Urteil ist für die vielen Flugreisenden, die von Ausfällen betroffen sind, ein Erfolg und stärkt deren Rechte nachhaltig. Der EuGH hatte bereits im Juni 2020 entschieden, dass Fluggesellschaften gezwungen sind, Passagier:innen bei großen Verspätungen sowie Flugausfällen schnellstmöglich eine Ersatzbeförderung anzubieten. Trotz dieser höchstrichterlichen Rechtsprechung war eine Bestätigung durch das oberste deutsche Gericht nötig, da es vereinzelt immer noch deutsche Gerichte gibt, die die sehr verbraucherfreundliche Rechtsprechung des EuGH zu umgehen versuchen. In der Vergangenheit haben sich die Airlines die Unwissenheit der Passagier:innen oft zunutze gemacht und sich nur langsam oder gar nicht um mögliche Ersatzbeförderungen durch andere Fluggesellschaften gekümmert. Durch das Urteil wird das jetzt hoffentlich beschleunigt und die Leidenszeit der Flugreisenden verringert. In jedem Fall sorgt das Urteil aber dafür, dass Passagiere beim Trödeln der Fluggesellschaften zu ihren berechtigten Ausgleichszahlungen kommen“, so Claudia Brosche, Fluggastrechtsexpertin bei Flightright. 

Klagegrund waren zwei Flüge mit extremer Verspätung 

Ausschlagend für die Klage von Flightright waren zwei Flüge, deren Ersatzbeförderung erst mit extremer Verspätung erfolgte. Einer der Flüge sollte 2018 von Newark nach München gehen, Lufthansa annullierte den Flug jedoch wegen eines Bomben-Zyklons an der Ostküste. Die Passagier:innen kamen letztlich erst mit einer Verspätung von 98 Stunden in München an. Der andere Flug war 2020 von Reykjavik nach München geplant, doch ein Blizzard auf Island machte den Start unmöglich. Die Passagiere erreichten ihr Ziel letztlich mit einer Verspätung von 48 Stunden. 

Beide Revisionen wandten sich gegen die Entscheidungen des Landgerichts Landshut, welches die vorherrschende verbraucherfreundliche Rechtsprechung des EuGH missachtete. In beiden Verfahren liegt ein außergewöhnlicher Umstand durch schwerwiegende Wetterereignisse vor, sodass die Flughäfen zeitweise nicht funktionsfähig waren. Die Passagier:innen sind jeweils mit erheblicher Verspätung erst mehrere Tage später am Endziel angelangt. Im ersten Fall beförderte die Fluggesellschaft die Passagier:innen vier Tage später, im zweiten Fall zwei Tage. Sowohl das Amtsgericht Erding als auch das Landgericht Landshut entschieden in den zwei Verfahren, dass sich Lufthansa und Icelandair von dem Entschädigungsanspruch befreien können. Die Gerichte nahmen in den Wetterbedingungen jeweils zurecht einen außergewöhnlichen Umstand an. Jedoch gingen die Richter:innen in Erding und Landshut nur mangelhaft auf den Aspekt der zumutbaren Maßnahmen und auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs ein. Der EuGH fordert die Fluggesellschaften nämlich dazu auf, dass Passagier:innen bei annullierten Flügen die frühestmögliche Ersatzbeförderung erhalten sollen. Dabei müssen die Fluggesellschaften prüfen, ob eigene, aber auch fremde Direktverbindungen oder Umsteigeverbindungen die Passagier:innen früher an ihr Ziel bringen. Entgegen dieser Rechtsprechung entschieden die Richter:innen in Erding und Landshut, dass es genüge, wenn sich die Fluggesellschaften innerhalb der ersten drei Stunden um eine Ersatzbeförderung kümmerten. Für die Zeit außerhalb dieser drei Stunden Grenze sei die Prüfung der frühestmöglichen Ersatzbeförderung keine zumutbare Maßnahme mehr. 

„Der Ansatz des Landgerichts Landshut ging weit an der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zur Ersatzbeförderung vorbei und stellte sich diesem entgegen. Für die vielen Flugreisenden ist es ein positives Signal, dass sich auch der Bundesgerichtshof der Ansicht des EuGH angeschlossen hat und der Argumentation des Landgerichts Landsgut eine klare Absage erteilte. Für Flugreisende wäre es anderenfalls unerträglich, wenn sie bei einer Ersatzbeförderung von mehr als drei Stunden später schutzlos gestellt wären“, sagt Claudia Brosche abschließend.

Mit seinem Urteil hebt der BGH die beiden Urteile der Richter aus Landshut auf. Da weder die erste, noch die zweite Instanz es für notwendig erachtet hatten, weitere Feststellungen dazu zu treffen, wann und wie die Fluggesellschaften die möglichen und zumutbaren Umbuchungen prüften, verwies der BGH die Sachen zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht Landshut zurück. 

Über Flightright

Flightright ist das marktführende Verbraucherportal für die Durchsetzung von Fluggastrechten. Wir treten für die Rechte von Passagieren und Passagierinnen im Fall einer Flugverspätung, Annullierung oder Nichtbeförderung ein und berufen uns dabei auf die Fluggastrechte-Verordnung 261/2004 der Europäischen Union. Insgesamt haben wir schon mehr als 430 Millionen Euro Entschädigung für unsere Kundinnen und Kunden durchgesetzt. Unser Angebot wird in der Digitalwirtschaft auch als „Legal Tech“ beziehungsweise „Justice as a Service“ bezeichnet. In unserem Datenzentrum erhalten Interessierte zudem jederzeit Einblick in die aktuellsten Daten zu Flugverspätungen und -stornierungen. Flightright ist Teil der Allright Group, zu welcher auch das auf Verkehrsrecht spezialisierte Verbraucherportal freem sowie die Chevalier GmbH gehören, die enger Kooperationspartner der technologiegestützten Chevalier Rechtsanwälte für Arbeitsrecht ist.

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