20 Jahre Fluggastrechteverordnung: Auch dank Flightright immer mehr Rechte für Flugreisende

Flugausfälle, lange Verspätungen und Überbuchungen sorgen bei Flugreisenden regelmäßig für lange Gesichter und durchkreuzte Reisepläne. Um Passagier:innen in solchen Fällen EU-weit zu schützen, wurde am 11. Februar 2004 die europäische Fluggastrechteverordnung ins Leben gerufen. Sie stellt sich auf die Seite betroffener Passagier:innen und gibt ihnen elementare Rechte. Zum 20. Jubiläum erklärt Claudia Brosche, Fluggastrechtsexpertin bei Flightright, was sich in den letzten 20 Jahren alles getan hat, um Flugreisende in der EU zu schützen und warum trotz aller Fortschritte in den letzten zwei Jahrzehnten eine Anpassung der Fluggastrechteverordnung nötig ist. 

„Die EU-Fluggastrechteverordnung 261/2004 hilft jährlich tausenden von Flugreisenden dabei, ihre Rechte durchzusetzen und ist deshalb ein unverzichtbarer Bestandteil der europäischen Verbraucherrechte geworden. Viele der wegweisenden Urteile kamen dabei auf Betreiben von Fluggastrechteportalen wie Flightright zustande. Leider weigern sich trotz der Verordnung immer noch zu viele Fluggesellschaften, berechtigte Entschädigungen an Flugreisende zu zahlen. Uns bleibt deshalb oft nichts anderes übrig, als für die Passagier:innen vor Gericht zu ziehen“, so Claudia Brosche, Fluggastrechtsexpertin bei Flightright. 

Revolutionäre Entscheidung für Verbraucherschutz im Jahr 2004

Die EU-Fluggastrechteverordnung wurde am 11. Februar 2004 vom Europäischen Parlament und Rat ins Leben gerufen, um Flugreisende zu schützen. Der Hintergrund: In vielen Fällen können Airlines Verspätungen, Annullierungen oder Überbuchungen vermeiden. Neben der finanziellen Entschädigung und Entlastung von Passagier:innen dient die Verordnung auch dazu, positiv auf das Verhalten der Fluggesellschaften einzuwirken. Die Airlines sollen im eigenen wirtschaftlichen Interesse zur Vorbeugung von Ausfällen und Verspätungen angehalten werden. Zusätzlich regelt die EG 261/2004 klare Betreuungs- und Informationspflichten für Airlines, um die Unannehmlichkeiten für Passagier:innen zu verringern.

Auch bei der Fluggastrechteverordnung gibt es Anpassungspotential 

Auch wenn die EU-Fluggastrechteverordnung schon ein hohes Schutzniveau für Flugreisende gewährleistet, gibt es Anpassungspotential, besonders bei der Höhe der Entschädigungen. „Um die Inflation der letzten 18 Jahre auszugleichen, empfehlen wir, die Ausgleichsansprüche bei kurzfristigen Stornierungen und Überbuchungen auf 400 Euro, 600 Euro und 800 Euro zu erhöhen, um eine angemessene Entschädigung zu gewährleisten“, so Brosche weiter.

Zudem schlägt Flightright vor, dass Fluggesellschaften die Passagier:innen mindestens acht Wochen vor Abflug über die Annullierung informieren müssen, um keine Entschädigung zu zahlen. Aktuell reicht es aus, wenn die Fluggesellschaften die Passagier:innen zwei Wochen vor dem Flug über den Flugausfall informieren. Flugreisende, die erst zwei Wochen vor Abflug über die Annullierung informiert werden, haben regelmäßig keine Chance, einen passenden und vor allem bezahlbaren Alternativflug zu finden. Um die Rechte der Verbraucher:innen zu stärken, fordert Flightright auch die Einführung von Sanktionen gegen Luftfahrtunternehmen, die berechtigte Ausgleichsleistungen schuldhaft verzögern.

„Wir plädieren für die Abschaffung der Vorkasse-Praxis. Die Verpflichtung der Verbraucher:innen, Tickets Monate vor Abflug zu bezahlen, führt zu einer doppelten Benachteiligung. Im Fall der Fälle liegt es an ihnen, sich um die Erstattung des Kaufpreises zu kümmern, während sie gleichzeitig das Risiko einer zwischenzeitlichen Insolvenz der Luftfahrtunternehmen mittragen müssen“, so Claudia Brosche abschließend.

Rechtsprechung zum Wohl der Verbraucher:innen

Die EU Fluggastrechteverordnung wird schon jetzt kontinuierlich durch europäische und nationale Gerichtsurteile ergänzt. Das Herbeiführen grundlegender Entscheidungen hoher Gerichte hilft über den Einzelfall hinaus, die Rechte aller Flugreisenden zu festigen, auszuweiten und die Entwicklung der Fluggastrechte im Sinne der Verbraucher:innen voranzubringen. Folgende Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs haben das Entstehen und die Entwicklung des Fluggastrechts besonders geformt. Vor dem Gerichtsurteil von 2004 zum EU-Fluggastrecht gab es zwei vorangehende rechtliche Regelungen:

Kommission Delors (1985–1995): Jacques Delors regelte während seiner zweiten Amtszeit die Überbuchung und führte Sanktionen für Luftfahrtunternehmen ein, die Fluggäste wegen Überbuchung nicht beförderten. Dies war ein erster Schritt zur Stärkung der Fluggastrechte.

Kommission Prodi (1999–2004): Während Romano Prodis Amtszeit beobachtete die Kommission Beschwerden von Flugpassagieren, die aufgrund von Annullierungen und Um­buchungen benachteiligt wurden. Dies führte zur Initiation der Verordnung (EG) Nr. 261/2004.

Folgende Meilensteine lassen sich seit dem Inkrafttreten der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 verzeichnen:

Februar 2004: Europäisches Parlament und Rat verabschieden die Verordnung (EG) Nr. 261/2004, um die Fluggastrechte zu stärken.

Februar 2005: Die Verordnung tritt in Kraft und ersetzt die vorherige Verordnung (EWG) Nr. 295/91, erweitert dabei die Schutzrechte für Flugreisende.

Januar 2006: Der Europäische Gerichtshof bestätigt die Gültigkeit und Primärrechtskonformität der Verordnung.

Dezember 2008: Technische Probleme

Der EuGH stellt klar, dass ein technisches Problem an einem Flugzeug kein außergewöhnlicher Umstand ist.

November 2009: Große Verspätung = Entschädigungsanspruch

Laut EuGH steht Passagier:innen bei einer großen Verspätung von drei oder mehr Stunden dieselbe Entschädigung zu wie bei einer Annullierung

Februar 2013: Verpasste Anschlussflüge

Wenn Anschlussflüge aufgrund einer geringen Verspätung verpasst werden, besteht Entschädigungsanspruch, wenn das Endziel drei Stunden später erreicht wird.

März 2013: Betreuungsleistungen

Auch bei außergewöhnlichen Umständen ist die Airline verpflichtet, Flugreisende zu betreuen und zu versorgen, z.B. in Form von Snacks, Getränken und Hotelunterbringung.

März 2018: Internationale Zuständigkeit bei mehrteiligen Flügen (Flightright)

Reisende können Entschädigungszahlungen, unabhängig von Zwischenlandungen, sowohl im Land, in dem der Flug gestartet ist, als auch im Zielland einklagen.

April 2018: Wilder Streik

Nicht jeder Streik ist automatisch ein Grund für die Befreiung von Entschädigungszahlungen. Das Urteil könnte auch für die künftige Streik-Rechtsprechung wegweisend sein.

2018: Anwendbarkeit der Verordnung

Wenn alle Flüge Teil einer einzigen Buchung sind, können Passagier:innen auch auf Verbindungen mit einem Zwischenstopp außerhalb der EU Entschädigung erhalten, wenn Start- oder Zielflughafen in der EU liegen.

Juli 2018: Klarheit bei Wet-Lease (Flightright)

Bei Wet-Lease-Konstellationen muss die Ticketverkäufer-Airline für Entschädigungsansprüche aufkommen.

COVID-19-Pandemie: Die EU stellt in Leitlinien klar, dass trotz außergewöhnlicher Umstände die Rechte der Flugreisenden geschützt bleiben sollen.

Juni 2020: Revolution der Ersatzbeförderungen

Fluggesellschaften müssen frühestmögliche Ersatzflüge für Passagier:innen auch bei anderen Airlines suchen und dürfen sich nicht nur auf Direktflüge beschränken

Dezember 2021: Zurechnung von Unterlagen der Reiseunternehmen und vorverlegte Flüge (Flightright)

Auch vorverlegte Flüge sind anspruchsberechtigt. Kein Verantwortungs-Pingpong mehr: Unterlagen von Reiseunternehmen müssen sich die Fluggesellschaften zurechnen lassen

Oktober 2022: Direkte Anschlussflüge ermöglichen Entschädigung bei zusammengefassten Flügen eines Reisebüros

Fasst ein Reisebüro mehrere Teilflüge unterschiedlicher Fluggesellschaften unter einer Buchung zusammen, liegen direkte Anschlussflüge vor, die zu einer höheren Entschädigung berechtigen können

Mai 2023: Erkrankt die Crew plötzlich, hat die Airline hierfür einzustehen

Fehlen Besatzungsmitglieder der Crew unerwartet und kurzfristig vor dem Abflug, fällt deren Abwesenheit in die Verantwortung der Fluggesellschaft und ist nicht außergewöhnlich.

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